Fernweh nach Stille

Fernweh nach Stille

Fernweh nach Stille

Der Abendbrottisch ist abgeräumt, die Kinder streiten noch, wer die Spülmaschine einräumen muss, im Hintergrund höre ich schon den Fernseher und die Katze miaut vor ihrem leeren Napf.

Stille…wäre das schön. Aber Stille ist nicht gleich Stille. Selbst nachdem die Katze gefüttert, die Spülmaschine eingeräumt und die Tür zum Wohnzimmer verschlossen ist, ist es immer noch nicht still.

Es brummt die Spülmaschine, der Nachbar rollt die Mülltonne raus und irgendwo ist eine Sirene zu hören. Ganz zu schweigen von der Katze, der wohl noch die Milch zum Futter fehlt und die höchst beleidigt in den tiefsten Tönen miaut. Stille…wäre das schön.

Als ich das erste Mal in Finnland war, hat mich das am meisten beeindruckt. Die Stille. Abgesehen von der atemberaubenden Naturschönheit und den Menschen, die Stille. Das habe ich vorher noch nie gehört. Nämlich nichts. Und wie mich das beeindruckt hat. Man sitzt am See, mitten im Nirgendwo und wundert sich, was das ist. Es ist fast beängstigend und erzeugt am Anfang ein flaues Gefühl im Bauch. Man strengt sich an und hört und hört…nichts. Die absolute Stille.

Wir kennen das hier gar nicht mehr. Irgendein Geräusch ist immer zu hören. Egal ob wir draußen oder drinnen sind, aber eben vor allem, wenn wir draußen sind. Es ist die Autobahn in der Ferne, der Zug in einiger Entfernung oder einfach der Lärm der Stadt. Oder auch nur Spaziergänger mit ihren Hunden. Ich habe noch nie erlebt nichts zu hören, einfach nichts. Stille. Bis ich nach Finnland kam. Schon im Flugzeug hat man das Gefühl, dass die Uhren langsamer gehen. Es ist eine leise und zurückhaltende Freundlichkeit, die einen in Empfang nimmt. Laut gibt es selten. Dafür gibt es die absolute Stille.

Aber auch an die Stille muss man sich erst gewöhnen. Die eigenen Gedanken können nämlich unter Umständen ganz schön laut werden, wenn es um einen herum still wird. Aber das tut gut, wenn man sich daran gewöhnt hat und es zulässt. Endlich hören wir uns wieder, unsere innere Stimme und können nachdenken. Oder auch einfach nur die Stille genießen. Am liebsten zwischen den Saunagängen am See. Manchmal schnappt ein Fisch nach einer Mücke oder der Kuckuck ruft. Andere Hintergrundgeräusche wie in unserem lauten Alltag findet man am See in Finnland nicht. Und das ist es, was mich immer wieder hinzieht, was mich träumen lässt…das Fernweh nach Stille.

Autorin

Tina Klein